Monday, May 01, 2006

von friedman zu friedman und warum teures öl kein grund zum jubeln ist.



ich kann mich auch täuschen, aber ich denke ich bin dieses jahr zeuge eines "großen umdenkens der us amerikaner", welches ansatzweise bereits früchte trägt. man braucht nicht lange zu suchen um in tageszeitungen berichte und analysen zum thema "global warming" und "sustainability" zu finden.
nun, es mangelt nicht an energieverschwendung, da hat man in europa diesbezüglich schon ein ziemlich realistisches us-bild.

allgemein ist man aber der ansicht, dass die hohen erdölpreise, die sich in letzter zeit so zwischen $40-60 (heute: fast $72) pro barrel bewegen und mittelfristig eher steigen als fallen werden, zu einem schrittweisen umdenken der us-bevölkerung führen. natürlich ist es für die leute hier kein argument, dass us-benzin (diesel ist übrigens nicht weit verbreitet) im vergleich zu anderen ländern immer noch billig ist - was zählt ist, dass einmal volltanken heute mehr kostet als vor einem jahr oder vor 10 jahren. das, gepaart mit der fehlenden aussicht auf niedrigere preise, lässt immer mehr menschen von benzinfressenden SUVs zu deutlich rentableren hybrid autos wechseln. so zählt toyotas prius bereits zu den beliebesten autos in den vereinigten staaten.

all das ist nicht wirklich neu (für nicht-us-amerikaner) oder überraschend. für viele umweltbewusste menschen sind die hohen rohölpreise ein willkommenes zeichen für die anstehende wende hin zu einem nachhaltigeren umgang mit umwelt und ressourcen. einiges spricht für diese auffassung - jedoch ist der wahre preis den wir für teures öl bezahlen weit höher als die zapfsäule an der tankstelle anzeigt.

foreign policy hat in seiner mai/juni 2006 ausgabe einen artikel von"New York Times" kolumnist thomas l. friedman veröffentlicht, der den zusammenhang zwischen steigenden erdölpreisen und sinkender demokratiemoral in erdöl exportierenden ländern aufzeigt. was friedman als "The First Law of Petropolitics" bezeichnet sieht folgendermaßen aus:
"The First Law of Petropolitics posits the following: The price of oil and the pace of freedom always move in opposite directions in oil-rich petrolist states.
According to the First Law of Petropolitics, the higher the average global crude oil price rises, the more free speech, free press, free and fair elections, an independent judiciary, the rule of law, and independent political parties eroded."

was führt zu dieser entwicklung? staaten wie venezuela, azerbaijan, ägypten und russland profitieren immens von hohen erdölpreisen, da nahezu alle staatsausgaben mittels einahmen aus dem erdölverkauf gedeckt werden. solche staaten können es sich leisten, ihrer bevölkerung kaum steuern aufzuerlegen. und nicht nur das, wie hugo chávez in venezuela zeigt: mit massiven, auf kurzfristigen erfolg ausgelegten wohlfahrtsprogrammen wird die bevölkerung milde gestimmt. man nimmt ihr sozusagen den wind aus den segeln um politischen widerstand gar nicht erst aufkeimen zu lassen.

friedman schreibt: "A massive influx of oil wealth can diminish social pressures for occupational specialization, urbanization, and the securing of higher levels of education - trends that normally accompany broad economic development and that also produce a public that is more articulate, better able to organize, bargain, and communicate, and endowed with economic power centers of its own."

so ermöglichen hohe ölpreise ungestrafte ausfälle wie jene ahmadinejads, welcher den holocaust als "mythos" bezeichnet oder, nicht ganz so krass, chávez´, der tony blair ein unhöfliches "go right to hell" ausrichten lässt. was haben diese staaten zu befürchten? vorerst einmal nichts - mit gefüllten staatskassen und einer unterdrückten bevölkerung auf die die regierung nicht angewiesen ist muss man sich nicht um korrekte umgangsformen scheren. was hat die westliche welt zu befürchten? einiges: "When you have enough countries with enough negative impacts, you start to poison global politics."

und das ist das dilemma: höhere energiepreise sind offenbar von nöten um menschen in westlichen industrienationen zum umdenken richtung nachhaltigem umgang mit der umwelt zu bewegen. würde treibstoff nicht teurer, könnten wir bald auf schlauchboote umsteigen - reisserisch ausgedrückt. zur gleichen zeit führen höhere ölpreise aber in einer vielzahl von staaten zur unterdrückung der bevölkerung und zu außenpolitischer "diplomatie" die nicht gerade auf ein künftiges stabiles staatenzusammensein hoffen lässt.

wir müssen auf alternative energien umsteigen um der abhängigkeit von öl endlich ein ende zu bereiten. sinkt die nachfrage nach öl, wird sich auch das verhalten der jetzt übermütigen erdöl exporteure ändern. friedman nennt ein beispiel: "With all due respect to Ronald Reagan, I do not believe he brought down the Soviet Union.
There were obviously many factors, but the collapse in global oil prices around the late 1980s and early 1990s surely played a key role."

es muss uns also gelingen den preis für öl zu drücken - und zwar nicht durch die erhöhung der fördermenge (was ohnehin nicht mehr lange möglich ist, der oil-peak [mehr als die hälfte allen vorhandenen erdöls wurde gefördert] wurde vor kurzem erreicht) sondern durch den umstieg auf andere energiequellen. demokratischer fortschritt in einer vielzahl von staaten wäre die folge. der hervorragende nebeneffekt: eine deutliche reduzierung der co2 emissionen. nur, zumindest letzteres wissen wir seit mehr als 30 jahren und es hat nichts genützt - aber was bleibt uns anderes über als ein neuer anlauf?


(foto: windkraftanlage in dänemark, von wikipedia)

1 comment:

hint said...

der hohe ölpreis hat vor allem einen nutznießer: die großen erdölfirmen.
ein beispiel. wie profil letzte woche veröffentlichte, verdiente der chef von exxon laut new york times in den letzten neun jahren 145 000 € pro Tag.

es würde mich freuen, wenn es zu einem umdenkprozess der amerikansichen bevölkerung in bezug auf alternative ernergien käme.
doch befürchte ich das die alternative der atomstrom ist.und es wird sich erst zeigen, ob bei den nächsten präsidentenwahlen in den usa der erdölpreis nicht oberstes wahlkampfthema ist.

was chavez betrifft, so
sehe ich das positiver.
in meinen augen ist der lateinamerikanische weg die einzige lösung, sich aus den ökomischen und politische zwängen gegenüner den usa und europa zu befreien.(ich kann hier wieder einmal jean ziegler empfehlen).
venezuelas einnahmen aus den erdölgeschäfen ist jahrzehnte lang nur in die taschen us- amerikanischer firmen und einheimischer militärregime geflossen, während das land aufgrund der zinserückzahlung an iwf und privatbanken hungerte und in riesiger armut lebte.
jetzt wurde verstaatlicht und damit werden wohlfahrtsprogramme, entwicklungskredite sowie sozial- und alphabetisierungsprogramme finanziert.
und ein überregionaler news sender als gegenpol zu cnn espagnol mit kuba und brasilien ist in planung.

ob die revolution wieder einmal ihre kinder frisst, wird sich zeigen. aber einen verscuch ist es auf jeden fall wert, denn sozialismus oder barbarei ist in südamerika realität